· 

IDM Assen 2021: Aus zwei mach eins

Marvin Siebdrath 2021 bei der IDM in Assen
(© Dino Eisele)

 

So ist das mit den eigenen Erwartungshaltungen. Oft werden sie nicht erfüllt. Um ehrlich zu sein sind meine Erwartungen an diesem IDM Rennwochenende in Assen nicht erfüllt worden. Warum, erzähle ich Dir gleich. Ebenso warum zwei das neue eins ist und drei das neue zwei – zumindest bei dieser Rennveranstaltung.

 

Nur noch drei Veranstaltungen haben wir in diesem IDM Jahr, Assen war somit die drittletzte Station. Geht doch immer alles ganz schön schnell vorbei. Der Zeitplan sah diesmal anders aus als sonst. Für gewöhnlich haben wir am Freitag das freie Training, Samstag Qualifikation und sonntags die Rennen. Das war diesmal alles ein Stück nach vorne gezogen. Am Freitag blieb somit weniger Zeit um beispielsweise noch einmal eine Nacht über eine Abstimmung oder Setupänderung für den nächsten Quali Tag nachzudenken. Es musst von Anfang an alles passen. In den freien Trainings zu Beginn gelang mir das auch ganz gut, zweimal gab es einen dritten Platz in der Zeitentabelle. Damit konnte ich gut leben.

 

Das erste Qualifying lief ganz OK, Platz vier war jetzt nicht ganz so weit weg von der Spitze. Aber ich hoffte, am Samstag noch eine kleine Verbesserung zu erreichen um doch noch aus der ersten Reihe starten zu können. Eigentlich gelang mir das am Samstag auch, doch mir wurden mehrere Zeiten wegen „Track limits warning“ gestrichen. Seit Assen schauen die Rennkommissare ganz genau hin und ahnden durch Streichung der Rundenzeit auch nur das kleinste Übertreten der Streckenbegrenzung. Somit wurde es doch nichts mehr mit einer Verbesserung des Startplatzes. Von der zweiten Reihe auf Platz vier ging es in beide Rennen.

 

Marvin Siebdrath vor dem Start in sein IDM Rennen in Assen auf seiner Kawasaki
(© Kawasaki Racing/Toni Börner)

 

Rennen eins am Samstagmittag war zu Beginn ein Desaster. Ich verlor viele Plätze und fand mich nach der ersten Runde nur auf Rang 13 wieder. Ich sah schon, dass ganz vorne die Post abging und ich drohte den Anschluss zu verlieren. Somit hieß es Messer zwischen die Zähne und volle Attacke. Stück für Stück, Kurve für Kurve kämpfte ich mich wieder nach vorne. Doch zwei Fahrer waren einfach schon zu weit weg um sie noch einfangen zu können. Immerhin gelang es mir in der Verfolgergruppe wieder ganz nach vorne zu fahren. Kurz vor dem Ende schaffte ich es sogar, mich ein kleines Stück vom Rest des Feldes abzusetzen und als dritter die Ziellinie zu überqueren. Nach dem Start echt ein super Ergebnis. Dadurch, dass ein Gaststarter das Rennen gewann (der keine Punkte erhält), wurde mein offiziell dritter Platz von der Punktevergabe sogar zu einem zweiten Rang aufgewertet.

 

Der Sonntag war dann im Verhältnis zu den anderen beiden Tagen fast entspannt, denn außer einem kurzen Warm-Up stand „nur“ noch das zweite Rennen auf dem Plan. Aber dass sollte es in sich haben. Leider geriet auch hier mein Start nicht besonders gut, wieder verlor ich einige Plätze – wenn auch nicht so viele wie im ersten Rennen noch einen Tag zuvor. Diesmal hatte ich jedoch Glück, denn die Gruppe vor mir konnte sich nicht absetzen, sondern blieb eng zusammen. So konnte ich die Platzverluste relativ schnell wieder gut machen. Was dann folgte habe ich in dieser Form auch noch in keinem Rennen so erlebt. Denn es wurde wild. Sehr wild. In praktisch jeder Kurve kam es zu Überholmanövern und Platztauschen. Es kam keinerlei Ruhe ins Feld, jeder kämpfte in jeder Runde und Ecke um seine Positionen. So war es unmöglich taktisch oder ruhig eine Platzierung zu behaupten oder herauszufahren. Ich verlor sogar leicht die Orientierung und bekam es gar nicht richtig mit als die letzte Runde auf dem Programm stand.

 

Marvin Siebdrath freut sich über seinen dritten Platz beim IDM Rennen in Assen 2021
(© Dino Eisele)

 

Auf Platz vier liegend ging es in die letzte Kurve als die beiden vor mir liegenden Fahrer noch einen Unfall bauten und sich gegenseitig abräumten. Da es nur noch wenige Meter bis zur Ziellinie war „erbte“ ich sozusagen den zweiten Platz, der durch den erneuten Sieg des Gastfahrers in Punkten sogar ein Sieg für mich wurde. 20 Punkte in Rennen eins, 25 Punkte in Rennen zwei. Unfassbar, nach so einem Ritt im zweiten Rennen.

 

Meine Erwartungen waren nämlich extrem niedrig an Assen, da es mir hier in der Vergangenheit nie so ganz gelungen war richtig Speed aufzunehmen – warum auch immer. Doch statt dem erwarteten schlechten Wochenende wurde es das beste meiner bisherigen IDM Karriere. Ganz ehrlich: So lasse ich mir das gerne gefallen. Ich war nach dem zweiten Rennen echt fertig und glücklich zugleich. Ein Mix an Gefühlen, der sich nur schwer beschreiben lässt. Jetzt sind es tatsächlich nur noch 15 Punkte Rückstand für mich auf den Führenden in der Meisterschaft und vier Rennen sind noch zu fahren. Die Chance ist somit wirklich da, das Unmögliche noch möglich zu machen. Aber so ist das im Sport: Es kann manchmal schneller gehen als man glaubt.

 

Assen ist vorbei, ich verlasse die Niederlande mit zwei ganz fett lachenden Augen. Und jetzt weißt Du auch warum meine Erwartungen nicht erfüllt, sondern extrem weit übertroffen wurden.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0